Welchen Unterschied gibt es zwischen industriell hergestellter Farbe und Naturfarbe?

Herkömmliche Farben setzen sich zusammen aus Bindemitteln, Lösemitteln, Füll- und Zusatzstoffen sowie Farbmitteln. Jedoch gibt es in Deutschland ca. 500.000 Lackrezepturen, deren Inhaltsstoffe nicht gekennzeichnet werden müssen. Das Bindemittel hält die Farben und Lacke zusammen und sorgt für die Haftung am Untergrund. Lösemittel geben dem Produkt eine leicht zu verarbeitende Konsistenz, die nach dem Anstrich verdunsten, damit der Anstrichstoff aushärten kann. Damit wird im Raum kurzfristig eine hohe Dosis an Schadstoffen freigesetzt, die einerseits einen strengen Geruch verströmt, und andererseits die Gesundheit und Umwelt belastet. Die in konventionellen Farben verwendeten Kunststoffe basieren ursprünglich auf Erdöl, ein aus ökologischer Sicht, bedenklicher Rohstoff.

Naturstoffe wie Kalk, Lehm, Kasein, Öle und Naturpigmente sind bereits seit tausenden Jahren bekannt. Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein gehörte das Mischen der Anstrichmittel zur Ausbildung von lackverarbeitenden Handwerkern, jeder Meister hatte zum Teil seine eigenen Rezepturen. Mit der Industrialisierung begann auch die Entwicklung der industriellen Farbenherstellung, zunächst mit Teerölen aus Steinkohle, wenig später begann man mit der Synthetisierung des Krappfarbstoffs Alizarin und Indigoblau. Deutschland war neben der Schweiz führend im Verbrauch künstlicher Farbstoffe.

Jedoch bewahrten sich Maler bis in die vierziger und fünfziger Jahre hinein das Wissen, Farben selbst nach überlieferten Rezepturen anzumischen, z. B. durch Pulverleimfarben oder das Anreiben von Pigmenten mit Ölen. Die Industrie brachte allerdings immer mehr gebrauchsfertige Farben auf den Markt, die bequemer in der Anwendung und angeblich besser waren. Damit wurden Leinöl und Erdpigmente zunächst ins Abseits gedrängt. Die synthetischen Farben waren bunt und billig und konnten unabhängig von Auslandmärkten und Ernteergebnissen hergestellt werden. (aus: Gerd Ziesemann, Martin Krampfer, Heinz Knieriemen „Natürliche Farben: Anstriche und Verputze selbst herstellen“ (2013))

Naturfarben und –kalke kommen ohne chemische Zusätze aus, weisen eine längere Haltbarkeit und Elastizität auf und sind damit hochwertiger als die üblichen Farben und Lacke auf chemischer Basis. Dabei unterscheiden sie sich im Preis kaum von den industriell hergestellten Qualitätsprodukten. Die Anwendung von Naturfarben ist einfach und auch für Laien gut zu bewerkstelligen, ähnlich wie das Aufbringen chemisch hergestellter Farben.

Naturfarben schonen die Gesundheit der Anwender und Bewohner, da hier keine giftigen Stoffe freigesetzt werden. Produktreste sind problemlos kompostierbar und benötigen keine Sondermüllgenehmigung.
Sämtliche Inhaltsstoffe der Farben sind auf jeder Verpackung klar deklariert. Zudem sind alle Rohstoffe in Naturfarben ungiftig. Das gilt nicht nur für die Anwendung, sondern auch für die Gewinnung, Aufbereitung der Rohstoffe und Entsorgung von Altanstrichen und Farbresten.
Dass der ökologische Aspekt von Naturfarben nicht zulasten der Qualität gehen muss, zeigen beispielsweise Kirchenmalereien aus dem Mittelalter.

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